Hertz und Auge müssen weinen

Kantate für Sopran, Tenor, Bass, Traversflöte, 2 Violinen und Basso continuo

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Kantate-Hertz und Auge müssen weinen, Partitur
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Kantate-Hertz und Auge müssen weinen, Violinen
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Kantate-Hertz und Auge müssen weinen, Flauto Traverso
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Kantate-Hertz und Auge müssen weinen, Basso continuo
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Der Kantatentext für die Kantate „Hertz und Auge müssen weinen“ von Erdmann Neumeister ist aus dem Jahre 1705. Er wirkt auf den ersten Blick im Bezug auf den heutigen, sehr freudigen Sonntag „Cantate“ (Singet dem Herrn ein neues Lied) eher überraschend. Der Text steht allerdings im Gesamtkontext der nachösterlichen Zeit, in der das Gedenken an die Geschehnisse zwischen Auferstehung und Himmelfahrt sowie das Warten auf das Heilshandeln Gottes durch die Kraft des Heiligen Geistes an Pfingsten im Vordergrund stehen. So spiegelt es sich auch im Kantatentext wider: Wie in der Textgrundlage Psalm 42 beginnt die Kantate mit einem Abschnitt der Verzweiflung – in dem sich das lyrische Ich von Gott verlassen und von der Welt und den Menschen verstoßen fühlt, weil sich Gott nicht zeigt – die sich in ein starkes Vertrauen auf Gott, den man, wenn nicht im irdischen, spätestens im Himmelreich in seiner Größe und Güte erfahren darf, wandelt. Der Text ist also durchaus freudiger Natur und soll den Menschen den Weg aus der Bekümmernis weisen. Er spricht alle Menschen in Not an, die sich neu zu Gott bekennen, ihm vertrauen und zu ihm singen wollen, als Vorbereitung des Erscheinen Jesu vor seinen Jüngern und der anschließenden Himmelfahrt.

Passend dazu habe ich den Choral „Christ lag in Todesbanden“ als Klammer für die Kantate gewählt. Auch der Choral hält textlich und musikalisch einen Wandel in sich, der sich vom betrübten Trauern zur Freude über Jesu Auferstehung und Dankbarkeit über sein Opfer verändert. Musikalisch wandelt sich das dorische Kirchenlied Martin Luthers dadurch, dass es auf der fünften Stufe beginnt und auf der ersten endet. Entsprechend beginnen sowohl die Sinfonia als auch der Schlusschoral und dadurch die gesamte Kantate in d-Moll und enden in G-Dur. Sehen Sie es als symbolischen Wandel von der Kreuzigung zur Himmelfahrt sowie von Trauer zu Freude.

In der Sinfonia hören Sie zwei fugierende und sich imitierende Geigenstimmen, zu denen sich immer wieder eine sehr präsente, langsame Bassstimme gesellt. Diese immer wiederkehrenden Basseinsätze sind der „Cantus Firmus“, die Choralmelodie, die man in den wenigsten Kompositionen im Bass findet, eher in der Diskantstimme, die aber im Bass, also der Fundamentstimme, noch prominenter positioniert ist.

Im weiteren Verlauf der Kantate treten nacheinander drei solistische SängerInnen in Erscheinung. Sie singen jeweils ihre zusammengehörigen Rezitative und Arien, wobei im Rezitativ Erzählungen und Beschreibungen erfolgen, deren Emotionen in den Arien wiedergespiegelt werden. Dabei war es mir ein Anliegen, mir den barocken Kompositions-Grundsatz „prima le parole, poi la musica“ (erst die Worte, dann die Musik) von Claudio Monteverdi zu Herzen zu nehmen. Sie finden in der Kantate unzählige Stellen von madrigalistischem Umgang mit der Übertragung von Text in Musik durch Melodie und Harmonie  –  besonders in den Rezitativen – bis hin zu einer fast lautmalerischen Gestaltung exzentrischer Passagen. 

Der Musiktheoretiker Heinrich Koch schrieb 1802, gute 100 Jahre nach der Kantatenhochphase: „Als barock bezeichnet man ein Tonstück, in welchem die Melodie oft in schwer zu intonierenden Intervallen fortschreitet, die Harmonie verworren, und der Satz mit Dissonanzien und ungewöhnlichen Ausweichungen überladen ist.“ Diese fast abfällige Beschreibung der Sache ist für mich wichtigste Grundvoraussetzung für eine würdige Darstellung des Textes in der (neo-)barocken Stilistik und ein Sinnbild für die vordergründigen und plakativen Eigenschaften der barocken Ästhetik. Er trifft also genau ins Schwarze. Auch im Kantatentext findet man extreme Kontraste, Widersprüche, Entwicklungen und Exklamationen, die ich sehr pointiert musikalisch darstelle.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Denkanstößen helfen kann, die gespielte Musik detailreicher wahrzunehmen und Ihnen einige Aspekte, die sonst verborgen blieben, nahezubringen und freue mich, wenn Sie am Gehörten Gefallen finden.

Mika Stähle